
Große Pfotenabdrücke
In diesem Jahr waren Bergtouren bisher nicht nur jahreszeitbedingt kein Thema, da das neuartige Coronavirus ohnehin alles blockiert hat. So langsam öffnen nun wieder die Grenzen und auch die Berghütten, wenn auch weiterhin mit Einschränkungen – doch für uns wird es 2020 keine Touren mit Hund geben: Der Bergdale ist auf dem Altenteil. Was eigentlich kein Wunder ist, da Luzie Anfang Mai ihren zwölften Geburtstag gefeiert hat – und Airedales werden typischerweise etwa zwölf bis 13 Jahre alt, mehr ist nicht die Regel. Dabei ist auch kein Wunder, dass sie noch vor zwei Jahren ordentliche Hochtouren mit uns gemacht hat, denn Airedales bleiben häufig lange fit und altern dann sehr schnell. Und doch ist es ein kleines Wunder, dass Luzie ein so normales Alter erreicht hat.
Wer sie von früher aus zwei Airedale-Foren kennt, weiß um ihre Geschichte: Mit drei Jahren wurde sie bei einem Unfall von einem Auto überrollt. Luzie verlor die Milz und eine Niere und hatte weitere Verletzungen, die sie nur mit wahnsinnig viel Glück und kompromissloser Zähigkeit überlebte. Dank ihres schier unendlich sonnigen Gemüts steckte sie alle Verletzungen, Erkrankungen und Operationen immer wieder weg, als sei das alles das Normalste der Welt. Glücklicherweise verträgt sie alle Medikamente und ignoriert Verbände und Nähte – sie braucht keinen Trichter. Seit der ersten Operation nach dem Unfall hatte sie über die Jahre weitere neun schwere chirurgische Eingriffe; knapp die Hälfte davon indirekte Unfallfolgen wie ein perforierter Dünndarm, der Rest andere unschöne Dinge wie eine Pyometra oder ein Mammatumor. Insgesamt vier Mal hatte sie Krebs, und den letzten, jetzt, wird sie nicht mehr loswerden.
Also pflegen und betüddeln wir unsere Alpin-Rentnerin, lassen ihr die medizinische Behandlung zukommen, die ihr am Besten tut, und versuchen, unsere gemeinsame Zeit zu genießen, so viel es geht. Die vielen kleinen und auch nicht so kleinen Dinge, die bei anderen Hunden so schleichend schlechter werden, wenn sie altern, dass man es kaum bemerkt, haben Luzie ziemlich holterdiepolter eingeholt. Langsamer ist sie geworden, Augen und Ohren haben ein bisschen nachgelassen, die Rute ist steifer, und nach ihrem heißgeliebten Bällchen rennt sie zwar immer noch – das mit den wilden Sprüngen beim Fangen ist aber deutlich zahmer geworden. Und während sie inzwischen eine Meisterin darin geworden ist, auf den Punkt Sonnenenergie zu tanken, haben sich andere Dinge kein bisschen geändert: ihr unerschütterlicher Hunger und ihr fröhlicher, verschmitzter Humor. Hildegard und Loriot lassen grüßen.
Auch wenn nach ihrem Unfall keiner der medizinischen Experten geglaubt hätte, dass Luzie derartige körperliche Leistungen bringen würde, wie sie es im Berg getan hat, und dass sie einmal so alt werden würde, wie sie heute ist, und wir für beides einfach nur unendlich dankbar sind: Wie gern würden wir sie ewig bei uns haben! Dass das nicht geht beziehungsweise wir ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch die Erinnerung an sie haben werden, tut neben aller Dankbarkeit so weh. Dass wir dann wieder einen Bergdale werden ausbilden müssen (oder dürfen), wirkt im Moment entsprechend wenig erfreulich. Wir konzentrieren uns auf die Zeit, die wir gemeinsam haben, und machen sie uns so schön es irgend geht.
Da unser Bergdale jetzt nicht mehr in die Berge kommt, die sie zusammen mit uns über so viele Jahre so sehr genossen hat, haben wir zum Beispiel die Berge ein bisschen in den eigenen Garten geholt: Kurze, steinige Wegpassagen auf unserem kleinen Südhang haben wir schon vor Jahren gebaut, und jetzt blüht dort auch dieses prachtvolle Edelweiß (selbstredend eine legal erhältliche Zuchtform). Durch viele Beete pflügt Luzie ohne Rücksicht auf Verluste hindurch, vor allem dann, wenn sie sich ihrer wichtigen Grundstücksbewachungsaufgabe widmen muss. Um das Edelweiß aber scheint sie einen ehrfürchtigen Bogen zu machen – es würde mich nicht wundern, wenn sie sich, wie so oft, unser Verhalten im Berg abgeschaut hätte: Zu der kleinen, streng geschützten Symbolblume der Alpenvereine mit den charakteristischen Blüten halten wir immer Abstand.
Ich schaue auf meine langjährige Tourenpartnerin, und eines weiß ich jetzt schon, auch wenn ich ihn noch nicht kenne: Der nächste Bergdale wird sehr, sehr große Pfotenabdrücke zu füllen haben.
Hier wacht der Bergdale!
Seit Längerem ist es sehr ruhig um Luzie – leider aus gutem Grund, denn der Bergdale mit seinen bald zwölf Jahren ist einerseits alpintechnisch in Rente, andererseits ist das vierbeinige Mitglied unserer Hochtourenseilschaft nicht gesund. Aber davon ein andernmal ausführlich.
Heute kam nämlich Post von PetSigns, der Tierschilder-Manufaktur.* Dort hatte ich – endlich! – ein Warnschild für unser Grundstückstor in Druck gegeben, damit nicht immer wieder verwirrte Lieferfahrer auf der Suche nach einer Haustür und Klingel (die sie am Gartentor geflissentlich übersehen) auf’s Grundstück taumeln, um postwendend vor dem inbrünstig wachenden Bergdale Reißaus zu nehmen. Und natürlich das Gartentor dabei offenstehen zu lassen. Wie schlau. Luzie nimmt aber ihre Bewachungsaufgabe ausgesprochen ernst, egal, wie süß sie gucken kann!
Jedenfalls bin ich mit dem Schild äußerst glücklich. Großes Lob an das Tierschilder-Team! Top Beratung, super Druckqualität. Und Luzie scheint nicht minder zufrieden.
* Für die Erwähnung und den Link bekomme ich weder Geld noch sonstige Vorteile. Ich bin einfach nur eine echt zufriedene Kundin!
Ein großer Fachmagazin-Verlust
Das hat mich kalt erwischt – das working-dog-Magazin ist eingestellt worden! Welch ein Verlust. Es war eine der wenigen ernstzunehmenden, inhaltlich gewichtigen Fachmagazine im Hundebereich, das einzige mit dem Schwerpunkt auf Sport, und es ging weit über die klassischen Hundesportarten hinaus. Neben allen möglichen ungewöhnlichen Hundesportarten – auch so etwas wie Bergsteigen mit Hund – waren Rubriken wie Verhalten, Erziehung, Gesundheit, Ernährung oder Rasseporträts nur einige der weiteren festen Bestandteile.
Das Einstampfen hatte wohl interne Gründe. Umso schlimmer, wenn ein nicht nur vielversprechendes, sondern auch erfolgreiches Konzept so nicht mehr die interessierten Hundeleute erreicht.
Murmeltiere grüßen Hundesportler

Seit einiger Zeit schreibe ich ja immer mal Artikel für die Hundesportzeitschrift »working dog Magazin«. Entgegen der ursprünglichen Ausrichtung des vielen Hundehaltern bekannten Portals »working dog«, das sich fast nur um die klassischen Hundesportarten wie den Gebrauchshundesport, Fährte und Obedience drehte, beschäftigt sich das Magazin mit allem, was man sportlich mit seinem Hund machen kann – egal, ob mit oder ohne »richtige« Wettkämpfe oder Prüfungen. Daneben bietet es aber auch ausführliche Rubriken zu Gesundheit, Wesen, Ernährung, Zucht oder Erziehung.
Da ich mit Luzie nach der Ausdauer- und Begleithundprüfung aus dem Hundeplatzsport ausgestiegen bin und wir uns ganz auf die Berge und das Mantrailen ohne Prüfungsambitionen konzentriert haben, finden sich meine Artikel normalerweise in den nicht-sportlichen Rubriken. Beim aktuellen Heft aber ist alles anders!

Jetzt habe ich einen langen Artikel über die Anforderungen an und Ausbildung eines alpinen Begleithunds verfasst – brandaktuell bebildert von der Tour im vergangenen Sommer, auf der ich gezielt mit dem Artikel im Hinterkopf fotografiert hatte. Und damit grüßen uns die Murmeltiere jetzt nicht nur in den Bergen und zu Hause auf dem Handy, sondern auch gedruckt alle Hundesportlerleser!
Becker, Antje (2019). ›Wo täglich das Murmeltier grüßt. Mit ausgebildetem Bergbegleithund auf alpinen Hochtouren‹. working-dog-Magazin 8 (1/2019): 138-144. Inklusive Fotos.
Vier Jahreszeiten an sechs Tourentagen
Im Frühsommer sind wir nur selten auf Hochtouren unterwegs: zu viel Schnee vom Winter übrig, Wetter oft nicht so stabil wie im September, bei frühem Schulferienbeginn schnell mal zu volle Hütten, um mit Hund unterzukommen. Dieses Jahr aber haben wir es mal getan – und es hat schon alles ziemlich gut gepasst in dieser zweiten Junihälfte. Was hatten wir für Touren!
Auf der ersten, die uns zu unserer »Haushütte«, über eine für uns neue Scharte mit Steig im Steilgelände und sogar einem Fixseil (!) hinüber zu einem Berghotel und dann auf einen alten Jägerpfad führt, ist das Wetter zunächst so, wie man sich das in einem Juni vorstellt: Sonne, etwas Altschnee, dekorative Wölkchen.
Abgesehen davon, dass es für unseren – und Luzies – Geschmack etwas arg warm ist, sind die Bedingungen und die Route einfach toll! Mit den Wolken und Schneefeldern lassen sich besonders malerische Fotos machen, alles grünt und frühlingsblüht, es sind noch wenige Leute unterwegs, und auf der herzlichen Hütte werden wir von den vertrauten Gesichtern empfangen wie Freunde. Es ist, als käme man nach einem langen, anstrengenden Arbeitsjahr nach Hause und kann nun endlich entspannen. Am nächsten Tag ist ein schwieriger Steig mit anschließendem, fixseilversichertem Altschneefeld von gut 50° Neigung sehr nach unserem Geschmack – und ganz besonders nach dem von Luzie, als es in der Auslaufzone vor dem Blockgelände flacher wird und sie im aufweichenden, pfotenkühlenden Schnee mit voller Kraft voraus bergab Gas geben darf!
Nach dem Berghotel, in dem ich als Hochtourengeherin mich doch etwas fremd fühle und die kleinen, einfachen, »echten« Hütten vermisse, führt uns unsere Route über einen abenteuerlichen Jägerpfad durch einen verwunschen schönen Rothirschwald zurück in die Zivilisation. Irgendwie ist es immer ein Kulturschock, wenn man aus dem stillen, wilden Hochgebirge zurückkehrt, auch wenn man in bewohnten Regionen eigentlich zuhause ist und sie von oben über weite Strecken im Blick hat.
Apropos von oben: Als Motto hätte man diese erste Tour auch unter den Begriff »Heli« stellen können, denn immer wieder hallen stundenlang die Rotorengeräusche von Flugtransporten durch die Täler. Viele Berghütten öffnen im Lauf der zweiten Junihälfte und benötigen zu Saisonbeginn die Grundausstattung, und vielerorts weit oben ist jetzt die Zeit, um das kurze Sommerfenster zu nutzen und Baumaßnahmen zu beginnen. Ein ziemliches Spektakel und sehr beeindruckend – für uns die Männer, wie sie Runde um Runde schwere Ladungen an das Lastenseil des über ihnen in der Luft stehenden Helis einhängen, und für die Männer unser Hochtourenbegleithund Luzie mit ihrem Abseilgeschirr und manchmal den Pfotenschuhen.
Wetterbedingt beschließen wir, nach nur einem Pausentag gleich wieder aufzubrechen. Eine Kaltfront mit stürmischen Winden und Niederschlag wird aufziehen. Wir wollen eine weitere dreitägige Tour durch zwei uns völlig neue Täler am Alpenhauptkamm genießen, lernen neue, ebenso herzliche Hüttenwirtsleute kennen – und müssen doch wieder einmal einen 3.000er unbesucht lassen.
Schon in der ersten Nacht schneit es bis auf 2.200 m hinunter. Bis zur Scharte, dem Übergang zum Nachbartal, sind die Bedingungen nicht einfach, aber dick eingepackt, angemessen ausgerüstet und mit der vorhandenen Erfahrung recht problemlos. Dort geht ein Stichweg hinauf zum Gipfel – doch der Grat ist flächig vereist. Zusammen mit den stürmischen Böen und dem Schneefall wäre ein Gipfelversuch lebensgefährlich und schlicht leichtsinnig. Also begnügen wir uns mit ein paar Fotos auf der windumtosten Scharte kurz unterhalb der 3.000-m-Marke. Es ist so kalt, dass Luzie, die Kälte liebt und unter Mittelgebirgs-Winterbedingungen keinen extra Schutz braucht, mit ihrem Fleecemantel unter dem Abseilgeschirr sehr zufrieden dreinblickt. Sie dreht die Nase in den Wind und lässt die Ohren fliegen – und scheint dabei zu lächeln.
Im Abstieg zum Nachbartal lauern dann durch Schmelzharsch unerwartet harte, sehr steile Schneefelder, die wir queren müssen. Ohne Steigeisen und Pickel, von denen uns für diese Tour abgeraten worden war, verlangt uns das technisch jetzt alles ab, und Luzie kann kaum von ihren eingebauten Spikes profitieren: Ihre Krallen sind auf der betonharten Oberfläche nutzlos. Aber mit der nötigen Geduld kommen wir gut hinüber und sind bald auch aus dem Eisschlagbereich heraus, der durch die inzwischen auf über 0 Grad steigenden Tagestemperaturen gefährlich wird.
Auf der nächsten Hütte wird es dann doch noch einmal aufregend aus einem ganz anderen, sehr pelzigen Grund: Horden von Murmeltieren kommen völlig unerschrocken bis auf 5 m heran. Zeit, Luzie ihrem Herrchen in die Hand zu drücken und die Kamera zu zücken …
Im Abstieg an Tag drei regnet es ganz unspektakulär. In der Nacht ist die Schneefallgrenze noch einmal weiter gesunken, und wir sind froh, diese zweite Tour vorgezogen zu haben. Alle drei eingepackt in Regenschutz, trotten wir zurück zum Auto, das im Tal auf uns wartet. Über lange Strecken hängen wir alle unseren eigenen Gedanken nach – über schmerzende Knochen, verlockende Gipfel, die fantastische Tierwelt des Hochgebirges, die Vorzüge einer Sauna mit anschließender Massage und die besonderen Reize ungewöhnlichen Wetters.
Und natürlich über die nächsten Touren. Als Hund plant Luzie sicher nicht in die Zukunft, zumindest nicht in abstrakter Form. Manchmal jedoch, wenn wir hoch oben unterwegs sind, schaut sie sich entfernte Hänge, Flanken und Berge an, als würde sie selbst den Aufstiegsweg für eine Tour irgendwann dort drüben suchen. Wird sie am Ende noch größenwahnsinnig und träumt gar vom vergletscherten Gabler, wo sie auch heuer, mit 10 Jahren, noch so genauso gut gelaufen ist wie im letzten Jahr … ?
Tourentraining und ein »Runder«


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