Bergdale Hochtouren 2018 - malerischer hochalpiner HauptkammIm Frühsommer sind wir nur selten auf Hochtouren unterwegs: zu viel Schnee vom Winter übrig, Wetter oft nicht so stabil wie im September, bei frühem Schulferienbeginn schnell mal zu volle Hütten, um mit Hund unterzukommen. Dieses Jahr aber haben wir es mal getan – und es hat schon alles ziemlich gut gepasst in dieser zweiten Junihälfte. Was hatten wir für Touren!

Auf der ersten, die uns zu unserer »Haushütte«, über eine für uns neue Scharte mit Steig im Steilgelände und sogar einem Fixseil (!) hinüber zu einem Berghotel und dann auf einen alten Jägerpfad führt, ist das Wetter zunächst so, wie man sich das in einem Juni vorstellt: Sonne, etwas Altschnee, dekorative Wölkchen.

Bergdale Hochtouren 2018 - seilversicherter Steig im AbsturzgeländeAbgesehen davon, dass es für unseren – und Luzies – Geschmack etwas arg warm ist, sind die Bedingungen und die Route einfach toll! Mit den Wolken und Schneefeldern lassen sich besonders malerische Fotos machen, alles grünt und frühlingsblüht, es sind noch wenige Leute unterwegs, und auf der herzlichen Hütte werden wir von den vertrauten Gesichtern empfangen wie Freunde. Es ist, als käme man nach einem langen, anstrengenden Arbeitsjahr nach Hause und kann nun endlich entspannen. Am nächsten Tag ist ein schwieriger Steig mit anschließendem, fixseilversichertem Altschneefeld von gut 50° Neigung sehr nach unserem Geschmack – und ganz besonders nach dem von Luzie, als es in der Auslaufzone vor dem Blockgelände flacher wird und sie im aufweichenden, pfotenkühlenden Schnee mit voller Kraft voraus bergab Gas geben darf!

Bergdale Hochtouren 2018 - Downhillracing im AltschneefeldNach dem Berghotel, in dem ich als Hochtourengeherin mich doch etwas fremd fühle und die kleinen, einfachen, »echten« Hütten vermisse, führt uns unsere Route über einen abenteuerlichen Jägerpfad durch einen verwunschen schönen Rothirschwald zurück in die Zivilisation. Irgendwie ist es immer ein Kulturschock, wenn man aus dem stillen, wilden Hochgebirge zurückkehrt, auch wenn man in bewohnten Regionen eigentlich zuhause ist und sie von oben über weite Strecken im Blick hat.

Apropos von oben: Bergdale Hochtouren 2018 - HüttentransporteAls Motto hätte man diese erste Tour auch unter den Begriff »Heli« stellen können, denn immer wieder hallen stundenlang die Rotorengeräusche von Flugtransporten durch die Täler. Viele Berghütten öffnen im Lauf der zweiten Junihälfte und benötigen zu Saisonbeginn die Grundausstattung, und vielerorts weit oben ist jetzt die Zeit, um das kurze Sommerfenster zu nutzen und Baumaßnahmen zu beginnen. Ein ziemliches Spektakel und sehr beeindruckend – für uns die Männer, wie sie Runde um Runde schwere Ladungen an das Lastenseil des über ihnen in der Luft stehenden Helis einhängen, und für die Männer unser Hochtourenbegleithund Luzie mit ihrem Abseilgeschirr und manchmal den Pfotenschuhen.

Wetterbedingt beschließen wir, nach nur einem Pausentag gleich wieder aufzubrechen. Eine Kaltfront mit stürmischen Winden und Niederschlag wird aufziehen. Wir wollen eine weitere dreitägige Tour durch zwei uns völlig neue Täler am Alpenhauptkamm genießen, lernen neue, ebenso herzliche Hüttenwirtsleute kennen – und müssen doch wieder einmal einen 3.000er unbesucht lassen.

Bergdale Hochtouren 2018 - Schneesturm auf knapp 3000 mSchon in der ersten Nacht schneit es bis auf 2.200 m hinunter. Bis zur Scharte, dem Übergang zum Nachbartal, sind die Bedingungen nicht einfach, aber dick eingepackt, angemessen ausgerüstet und mit der vorhandenen Erfahrung recht problemlos. Dort geht ein Stichweg hinauf zum Gipfel – doch der Grat ist flächig vereist. Zusammen mit den stürmischen Böen und dem Schneefall wäre ein Gipfelversuch lebensgefährlich und schlicht leichtsinnig. Also begnügen wir uns mit ein paar Fotos auf der windumtosten Scharte kurz unterhalb der 3.000-m-Marke. Es ist so kalt, dass Luzie, die Kälte liebt und unter Mittelgebirgs-Winterbedingungen keinen extra Schutz braucht, mit ihrem Fleecemantel unter dem Abseilgeschirr sehr zufrieden dreinblickt. Sie dreht die Nase in den Wind und lässt die Ohren fliegen – und scheint dabei zu lächeln.

Im Abstieg zum Nachbartal lauern dann durch Schmelzharsch unerwartet harte, sehr steile Schneefelder, die wir queren müssen. Ohne Steigeisen und Pickel, von denen uns für diese Tour abgeraten worden war, verlangt uns das technisch jetzt alles ab, und Luzie kann kaum von ihren eingebauten Spikes profitieren: Ihre Krallen sind auf der betonharten Oberfläche nutzlos. Aber mit der nötigen Geduld kommen wir gut hinüber und sind bald auch aus dem Eisschlagbereich heraus, der durch die inzwischen auf über 0 Grad steigenden Tagestemperaturen gefährlich wird.

Bergdale Hochtouren 2018 - putzige WildtiereAuf der nächsten Hütte wird es dann doch noch einmal aufregend aus einem ganz anderen, sehr pelzigen Grund: Horden von Murmeltieren kommen völlig unerschrocken bis auf 5 m heran. Zeit, Luzie ihrem Herrchen in die Hand zu drücken und die Kamera zu zücken …

Im Abstieg an Tag drei regnet es ganz unspektakulär. In der Nacht ist die Schneefallgrenze noch einmal weiter gesunken, und wir sind froh, diese zweite Tour vorgezogen zu haben. Alle drei eingepackt in Regenschutz, trotten wir zurück zum Auto, das im Tal auf uns wartet. Über lange Strecken hängen wir alle unseren eigenen Gedanken nach – über schmerzende Knochen, verlockende Gipfel, die fantastische Tierwelt des Hochgebirges, die Vorzüge einer Sauna mit anschließender Massage und die besonderen Reize ungewöhnlichen Wetters.

Bergdale Hochtouren 2018 - Blick auf Gabler und ReichenspitzeUnd natürlich über die nächsten Touren. Als Hund plant Luzie sicher nicht in die Zukunft, zumindest nicht in abstrakter Form. Manchmal jedoch, wenn wir hoch oben unterwegs sind, schaut sie sich entfernte Hänge, Flanken und Berge an, als würde sie selbst den Aufstiegsweg für eine Tour irgendwann dort drüben suchen. Wird sie am Ende noch größenwahnsinnig und träumt gar vom vergletscherten Gabler, wo sie auch heuer, mit 10 Jahren, noch so genauso gut gelaufen ist wie im letzten Jahr … ?