Veteran – das klingt so … alt. Als ich kürzlich meine frischgebackene achtjährige Luzie, meinen mantrailenden Bergdale, zum zweiten Mal in ihrem Leben ausstellen wollte, war aber von vorneherein klar: Sie wird in der Veteranenklasse an den Start gehen. Es ist die Klasse für die ältesten Hunde, also die „Oldieklasse“, wenn man so will, und das für alle Rassen – ganz egal, ob für Airedales mit ihrer realistischen Lebenserwartung von vielleicht 13 Jahren, für Foxterrier, die gerne auch mal doppelt so alt werden können, oder die Irischen Wolfshunde, bei denen mit acht die meisten bereits tot sind. Als erwachsene Hündin dürfte ich Luzie zwar rein theoretisch auch in der Offene Klasse melden, wo noch die „richtigen“ Formwertnoten – V(orzüglich), S(ehr)G(ut) und so weiter – vergeben werden, aber dort tummeln sich meist besonders viele Hündinnen – eben alle erwachsenen von zwei bis sieben Jahren, die nicht schon einen Championtitel der Erwachsenen in der Tasche haben. Nun hat Luzie ein am Rassestandard gemessen nicht ganz optimales Fell und ich wenig Erfahrung im Selbst-Ausstellen, also hätten wir in der Offenen Klasse gegen all die versierten anderen Austeller kaum eine Chance auf einen Blumentopf. Die Veteranenklasse dagegen ist meist überhaupt nicht besetzt. Hier bekommt man eine richterliche Beurteilung wie in allen anderen Klassen auch, aber keine Formwertnote mehr, sondern nur noch eine Platzierung. Und man hat unabhängig von den anderen Hunden eine eigene Championwertung, den Veteranenchampion. Da stehe ich nun also mit meiner Gerade-eben-Veteranin, die ich in wochenlanger, mühseliger Rupferei und der Profiunterstützung ihrer Züchterin ganz passabel hergerichtet habe, im Ring vor der Richterin – und mein Hund freut sich und springt rum wie ein Teenager. Sehr zum Entzücken der Richterin übrigens, die offensichtlich über eine gehörige Portion Humor verfügt. Sie lobt die Frische, Energie und körperliche Fitness von Luzie – die bekommt eine sehr tolle Beurteilung, alle Championtitel-Anwartschaften, und den 1. Platz. Bei einem Starter, aber egal! Ich bin trotzdem überglücklich – über die Beurteilung, dass sich die Arbeit gelohnt hat, dass Luzie Spaß an den Runden im Ring hatte, obwohl die Wochen des stundenlangen Trimmens ihr sicherlich auf die Nerven gegangen sind, dass es vorbei ist, meine Anspannung endlich nachlässt. Ich lobe sie überschwänglich und bringe sie zurück zum Unterstand. Es wird Nachmittag werden, bis es in den Ehrenring des „Besten Veterans der Show“ geht. Und ich so sinniere vor mich hin. Bergdale - AlpinhundblogAxel war neun Jahre alt, als er bei mir einzog. Ein Jahr älter als Luzie jetzt. Alle Welt erklärte mich damals für verrückt, „so einen alten Hund“ aus dem Tierheim zu holen. Wie unfair gegenüber dem eben nicht mehr blutjungen Airedale! Dabei war er noch lange Zeit sehr fit. Bereut habe ich es nie, keinen Tag der sechs Jahre, die wir zusammen hatten, auch nicht, als er Medikamente brauchte und ich ihm mit damals für Hunde noch ungebräuchlichen physiotherapeutischen Mitteln seine Leiden linderte. Natürlich denke ich bei den vielen positiven Erfahrungen mit Axel nicht negativ an ihn zurück – und er ist ja auch der Grund, warum heute Airedale Luzie bei mir ist. Sicher habe ich inzwischen schon mehrfach darüber nachgedacht, wie viele Alpensommer mein Bergdale und ich noch im Hochgebirge haben werden. Einen, zwei? Oder drei? Axel hatte noch mit 14 Bergwanderungen gemacht, aber das waren keine harten Hochtouren wie das, was Luzie mit uns anpackt. Axel war zäh, hatte enormen Lebenswillen, aber auch Arthrose und Spondylose. Luzie ist vielleicht noch zäher, hat eine unendlich fröhliche Lebensenergie, aber nach einem Autounfall und vielen Operationen auch ein paar Organe weniger und ist durchzogen von Narbengewebe. Sie ist neugierig, überschäumend und gelenkig wie immer, ist im Berg noch genauso wenig zu bremsen wie früher, aber sie liegt seit diesem Jahr auch immer wieder einmal vor dem prasselnden Kamin oder in der prallen Sonne. Als würden ihre älter werdenden Knochen die Wärme suchen, dabei liebt sie die noch immer genauso wenig wie früher. Ja, sie verändert sich langsam. Wie viele Jahre ihr von ihrer genetischen Veranlagung her mitgegeben wurden, ob es so überdurchschnittlich viele sind wie bei Axel, das weiß ich nicht. Sie hat wahrlich bereits enormes Durchhaltevermögen bewiesen, erbringt noch immer keinesfalls alltägliche Leistunngen und hat sich höchste Anerkennung verdient. Von daher gesehen ist sie wie ein Soldat nach überstandenen Einsatzjahren, ja, eine Veteranin. Aber alt? Nein, das ist sie noch lange nicht, auch wenn sich in der Veteranenklasse die ältesten Hunde treffen. Alt wird sie sein, wenn ihr im Alltag sichtbar die Kraft schwindet, die Sinne nachlassen und sie nicht mehr mit auf Hochtour will oder kann. Zwingen jedoch werde ich sie zu nichts – dann machen wir eben nicht mehr die großen Touren, sondern kleinere zusammen. Es ist Zeit für den Ehrenring. Ich kämme Luzie kurz auf, und laufe mit ihr mit der Befürchtung zum Ring, dass sie es langweilen wird, wie heute Vormittag nochmal ihre Kreise im Viereck zu ziehen. Dass sie in ihren alltäglichen Das-ist-öde-ich-latsche-so-vor-mich-hin-Passgang verfallen wird, der natürlich bei einer Ausstellung so gar nichts zu suchen hat. Und was macht meine Bergveteranin? Sie spielt, ohne dass ich sie irgendwie motiviert hätte, genauso die Rampensau wie damals, als wir in der Welpenstunde von außen die verzückten „Ohs“ und „Ahs“ hörten, wenn sie merkte, dass alle sie ansahen, und sie sich in Positur warf. Ich könnte heulen vor Dankbarkeit für diesen Hund, der freudig bei allem mitzieht, was mir Spaß macht, und mir heute den allerersten Pokal meines Lebens auf den Kaminsims zaubert: Bester Veteran der Show. Mein bester Hund von allen, egal in welchem Alter. Als Welpe, der die Welt kennenlernt; als Erwachsene, die abgeklärt im vollen Saft steht; als Veteranin, die gestanden weiß, worauf es wann ankommt; und irgendwann dann auch als Oldie, der ich dann gerne die Alterszipperleins lindern helfen werde.